Besuch von Zeitzeugen des Holocaust an der Zentralschule Adorf
Am 30. August 2023 besuchten uns, die Schülerinnen und Schüler der Klasse 10a der Zentralschule Adorf, vier Zeitzeugen des Holocaust. Begleitet wurden sie u. a. von Frau Alla Omlechenko sowie Frau Halyna Alekseienko. Das Wort „Holocaust“ kommt aus dem Griechischen, bedeutet „völlig verbrannt“ und beschreibt die bewusste Judenvernichtung. Der Holocaust ging von 1933 bis 1945 und forderte ca. sechs Millionen Opfer. Würde man für jedes Opfer eine Schweigeminute einlegen, wäre es ein halbes Jahr lang still. Heute leben ca. 143.000 Menschen, die die Judenverfolgung überlebt haben, in Israel, manche davon sind über 100 Jahre alt.
Einer der Zeitzeugen ist Victor Ginzbursky, auch Victor Gin genannt (geboren in Belarus). Heute ist er 84 Jahre alt. Zu dem Zeitpunkt als sein Vater am 21. Juni 1941 wegen der Arbeit wegging, war Victor gerade einmal zwei Jahre alt, sein Bruder vier Jahre alt und er sah seinen Vater drei Jahre nicht. Der Zweite Weltkrieg begann am 1. September 1939, zwei Jahre später flüchtete Victor mit seiner Mutter und seinem älteren Bruder ein halbes Jahr lang nach Gomel, dabei legten sie 645 km zu Fuß zurück. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Juden schon verfolgt und vernichtet. Daraufhin gingen sie zum Bahnhof und nahmen den Zug nach Orjol. Sie wurden durch ein Fenster in einen Pferdewagon geworfen. Nach zwei Tagen Fahrt kamen sie in der Stadt an und lebten dort für zwei Jahre. Ihre Mutter hing ihnen jeweils eine Kette mit Kreuzanhänger (Kruzifixe) um und vernichtete alle Dokumente, um anonym zu bleiben. Victors Mutter arbeitete hart als Haushaltshilfe, doch das Geld reichte weder für genügend Nahrung noch eine warme Wohnung. Orjol wurde von der deutschen Wehrmacht besetzt, die dort alle Juden in ein Loch getrieben hatte, und erst nach zwei Tagen befreite sie die Rote Armee. Als der Krieg dort endete, war Victor schon fünf Jahre alt, und er und seine Familie trafen seinen Vater in St. Petersburg endlich wieder. Dort lebten sie dann weiter, Victor beendete seine Schule, wurde Ingenieur und unterrichtete abends Literatur. Nebenbei schrieb er Gedichte und bis heute über 500 Lieder. Victor Gin lebt nun seit über 30 Jahren in Israel. Alles, was er uns an diesem Tag berichtet hat, wurde ihm selbst von seiner Mutter erzählt, da sein Gehirn während des Krieges wie ausgeschaltet war, weil er noch sehr jung gewesen ist.
Unter den Zeitzeugen befand sich auch Lyudmyla Smogorzhevsky. Sie war Lehrerin, ist heute 83 Jahre und zum Zeitpunkt des Krieges erst 11 Monate alt gewesen. Zu Beginn des Krieges wurde ihr Vater einberufen und ihre Mutter flüchtete mit ihren Kindern nach Luhansk. Ihr Eigentum wurde gestohlen und sie erlebten vier schwere Jahre in der Stadt, aber ohne Krieg. Ihre Wohnung dort war sehr klein, kalt und sie mussten sich von Resten ernähren. Jeden Tag schauten die Kinder durch die Fenster des Hauses, um nachzusehen, ob ihre Freunde noch am Leben sind. Viele Leute in der Nachbarschaft hatten starke körperliche und psychische Schäden, zum Beispiel redete eine Nachbarin mit ihrer Pflanze, weil sie sonst keinen Sozialkontakt hatte. 30 Jahre später besuchte sie mit ihrem jetzigen Mann, Vladyslav Smogorzhevsky, den sie mit 22 kennenlernte, Luhansk.
Abschließend hat Oleksandr Mazhbits über seine Erlebnisse berichtet. Sein Vater wurde am 22. Juni 1941 eingezogen und am 29. Juni wurde Oleksandr geboren. Derzeit ist er 82 Jahre alt. Sein Vater hatte nie erfahren, dass er einen Sohn hat. Am 8. Juli marschierte die Wehrmacht von Deutschland ein, um die Juden zu vernichten. Durch eine deutsche Krankenschwester überlebten Oleksandr und seine Familie. Alle Juden wurden mit dem Davidstern ausgezeichnet und in Ghettos getrieben. Dort, wo Oleksandr geboren wurde, war das größte Todeslager im Norden der Ukraine. Allein 400 Menschen aus der Stadt wurden dort vernichtet. Am 22. Februar 1942 kam der Befehl, alle Juden zu töten. Daraufhin wurden viele Menschen, darunter 200 Kinder, an den Fluss getrieben, ertränkt und totgeschlagen, sodass sie unter der vereisten Oberfläche davontrieben. Im März 1944 wurde die Ukraine durch die Rote Armee befreit, 300 Juden und 150 Kriegsgefangene überlebten.
Vor nicht allzu vielen Monaten wurden russische Bürger befragt, wen sie statt Putin an der Macht haben wollen. Das Ergebnis war, dass 64% für Stalin gestimmt haben. Das ist dasselbe, als würden die Deutschen Hitler wieder an der Macht haben wollen. Daher muss unsere Gesellschaft umso eindringlicher noch einmal darauf aufmerksam gemacht werden, wie gesegnet wir alle sind. Wir haben das Privileg, heute in Frieden leben zu dürfen und sollten es schützen und achten. Leider gibt es sogar heute noch Konzentrationslager in Russland, Nordkorea, Vietnam und Kuba. Es gibt immer weniger Zeitzeugen, deshalb müssen wir ihnen zuhören und das, was wir erfahren dürfen, auch weitererzählen. Die Geschichte muss in Erinnerung bleiben und darf nie vergessen werden, damit sich so etwas Schreckliches nicht wiederholt. Schockierend ist, dass Ähnliches nur 1000 km von hier passiert und daher schlimme Realität ist. Aufgrund dieser Ereignisse tragen viele Juden ein rotes Wollarmband, da es für die Verbindung zu Gott und Schutz steht.
geschrieben von Schülerinnen der Klasse 10a